Samstag, 22. Juli 2023, Berliner Zeitung
Es wird Zeit für den Plan B
Die Energiewende ist ein Flop. Wie retten wir jetzt trotzdem das Klima?

Michael Maier
Der Kernfehler der Bundesregierung in der Wirtschaftspolitik: Sie agiert, als hätte sie einen Plan. Sie will nichts weniger als die Rettung der Welt, respektive des Klimas. Von dorther wird alles gedacht. Die Umsetzung beruht auf der Illusion, der Staat könne zunächst festlegen, was die Konsumenten wollen dürfen. Er könne dann die Industrie beauftragen, diese Waren zu produzieren. Und schließlich könne man diesen ewigen Kreislauf mit Subventions-Milliarden am Laufen halten.
Grundsätzlich ist es natürlich lobenswert, wenn eine Regierung hohe Ziele hat. Es steht außer Frage, dass die Gesellschaften sich auf den Klimawandel einstellen müssen. Da gibt es genug zu tun. Viele Dinge sollten unverzüglich geschehen, sofort. Doch der vermeintliche „Plan“ der Regierung – die Rettung der Welt – kann nicht operativ umgesetzt werden. Die Rettung der Welt ist vielmehr ein Ziel. Dieses zu erreichen, braucht es einen Plan. Und der muss so konkret und umsetzbar sein, dass er etwas bringt und die Leute nicht auf der Hälfte des Weges der Regierung die Gefolgschaft verweigern. Genau diese Gefahr besteht jetzt: Die Bewertung der bisherigen Maßnahmen der Regierung zur Rettung von Welt und Klima reichen von bescheiden bis desaströs.
Bescheiden ist der Ausbau der Windkraft. Laut aktuellen Zahlen liegt die Bundesregierung weit hinter den Ausbauplänen bei Windrädern. Der Grund sind nicht, wie von der Wind-Lobby gerne vorgetragen, die unwilligen Bürger, die sich gegen die Industrieanlagen vor ihrer Haustür wehren. Der schwedische Energiekonzern Vattenfall hat soeben den geplanten Bau eines großen Windparks in der Nordsee vor der britischen Küste gestoppt. Vattenfall-Chefin Anna Borg erklärte zur Begründung, die Investitionskosten seien gestiegen, die Lieferketten seien unter Druck und die steuerlichen Rahmenbedingungen entsprächen nicht den „aktuellen Realitäten des Marktes“. Die Bedingungen für die Windkraft seien aktuell „extrem schwierig“.
Das sagt die Chefin eines Konzerns, der sich schon vor Jahren massiv in Richtung der Erneuerbaren bewegt hat. Die Gesetze des Marktes gelten für alle, sie können auch von einer noch so wild entschlossenen Regierung nicht ausgehebelt werden: Wenn sich bestimmte Anlagen nicht rechnen, dann baut sie keiner. Die Regierung kann das niemandem befehlen, außer sie steckt Milliarden in den Aufbau staatlicher Unternehmen. Bis die jedoch stehen, ist die deutsche Wirtschaft am Ende.
Ähnlich bescheiden sind die bisher realisierten Schritte in Richtung Wasserstoff, Solar und Batterien. Hier hat die Bundesregierung tatenlos zugesehen, wie die amerikanische Regierung mit dem Inflation Reduction Act (IRA) Unternehmen aus aller Welt abwirbt, während Chinas Staatskapitalisten ihrerseits gegen die amerikanischen Wettbewerber antreten. Wie sehr die Bundesregierung mit dem Rücken zur Wand steht, belegt eine Aussage von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck: Dieser sagte auf seiner aktuellen Indien-Reise in Mumbai, wenn die Einführung eines staatlich subventionierten niedrigeren Industriestrompreises nicht bald komme, „dann machen die Unternehmen ihre eigenen Entscheidungen und die werden dann nicht mehr für den Standort Deutschland sein“.
Habeck will mit staatlichen Milliarden-Hilfen im internationalen Vergleich wettbewerbsfähige Strompreise für die Industrie ermöglichen. Der in der Pandemie errichtete Fonds wurde dazu in der Energiekrise reaktiviert, um deren Folgen abzufedern. Die Energiekrise wiederum kam daher, dass die Bundesregierung nach dem russischen Überfall auf die Ukraine entschied, kein russisches Gas mehr für den deutschen Markt zuzulassen. Anders als andere EU-Länder wie Österreich oder Ungarn hat die Bundesregierung die EU-Marschrichtung konsequent durchgezogen. Zugleich stieg Deutschland aus der Kernenergie aus – wofür es durchaus gute Gründe gegeben hat.
Doch sind die Folgen dieser Politik zumindest der Rettung des Weltklimas abträglich: Denn die Industrie wandert ab und produziert anderswo. In Deutschland dagegen droht die Deindustrialisierung. Das Magazin Politico analysierte kürzlich die Lage und sparte nicht mit apokalyptischen Bildern – die deutsche Zukunft betreffend. Höchste Zeit für einen Plan B.