Überall Pferde in Berlin. Eine Klasse der Kunsthochschule Weißensee präsentierte im vergangenen Jahr in einer Ausstellung ausschließlich Malereien mit Pferdemotiven. Die Tempelhofer Rapperin Ikkimel grölte auf ihrem Song „Keta und Krawall“ ebenfalls im vergangenen Jahr: „Das beste Pferd im Stall und ich mache mich dumm.“ Dass man es hier weder mit Tierliebe noch mit einer Hommage an Wassily Kandinsky zu tun hat, sollte klar sein. Aber womit dann? Die Pferde-Metaphern in der Berliner Kunst und Popkultur stehen symbolisch für eine Substanz, die sowohl im Berliner Nachtleben als auch im medizinischen Bereich eine immer größere Rolle spielt. Es geht um Ketamin.

Auch Elon Musk soll ein großer Fan der Substanz sein. Zu seinem Konsum steht er öffentlich. Er konsumiere alle zwei Wochen eine kleine Menge Ketamin, sagte er unlängst in einem Interview. Einige Menschen spekulieren derzeit darüber, ob seine wirren Ergüsse auf der Plattform X im Ketamin-Rausch entstanden sein könnten. Doch was ist Ketamin eigentlich, wie gefährlich ist es und was hat es mit Pferden zu tun?

Seit 1970 Narkosemittel

Ketamin steht für Ketaminhydrochlorid, wird synthetisch hergestellt und ist seit 1962 bekannt. 1970 wurde es als Narkosemittel zugelassen. Und – deshalb auch die vielen Pferde in Kunst und Pop – wird als solches auch bei Pferden eingesetzt. In Deutschland ist Ketamin zwar verschreibungspflichtig, fällt jedoch nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Es verursacht Wachträume und dissoziative Zustände, umgangssprachlich könnte man von „neben sich stehen“ oder „weggetreten sein“ sprechen. Darum setzen es viele Menschen auch missbräuchlich ein, um sich zu berauschen.

Nach Angaben von Conor Toomey, Suchttherapeut und Fachlicher Leiter der Drogen- und Suchtberatung bei der Schwulenberatung Berlin, schwappte der Ketamin-Hype von Großbritannien in den 2000er-Jahren nach Deutschland über. Anfänglich war das Medikament vor allem als Sex-Droge in der queeren Szene beliebt. Mittlerweile ist sie aus Berliner Clubs von About Blank bis Berghain nicht mehr wegzudenken. Oft wird Ketamin mit Kokain kombiniert und als Keks bezeichnet. Die dissoziative Wirkung und die aufputschende Wirkung arbeiten im Körper gegeneinander an.

Gesund ist das nicht, sagen Experten. Hoher Ketaminkonsum kann unter anderem zu Blasen- und Nierenschäden führen. Eine Überdosierung versetzt unter Umständen ins sogenannten K-Hole – eine Art dissoziative Nahtod-Erfahrung, dem Ausstieg aus dem eigenen Körper. Einige Konsumenten wollen gezielt diesen Zustand erreichen. Zumindest das Risiko einer körperlichen Abhängigkeit gilt als nicht sehr hoch, dafür die einer psychischen Abhängigkeit. Der Kater sei weniger schlimm als bei anderen Partydrogen wie MDMA, heißt es. Zudem lässt die Wirkung – abhängig von der Dosis – nach 30 Minuten bis drei Stunden nach. Damit ist die Substanz recht einfach zu handhaben. Das reicht für viele als Argument aus, um zu Ketamin zu greifen.

Zwar wird das Medikament häufig im Party- und Sex-Kontext konsumiert, aber seine ursprüngliche Bestimmung ist der Einsatz in unterschiedlichen medizinischen Bereichen. Ketamin fördert Schlaf, lindert Schmerzen. Es wird nicht nur zur Narkose, sondern auch vor Operationen zur Beruhigung der Patienten verwendet. Auf Intensivstationen dient es unter anderem dazu, Patienten in ein künstliches Koma zu versetzen oder ihnen Phantomschmerzen zu nehmen, die bei abgetrennten Gliedmaßen auftreten. Verabreicht wird es in der medizinischen Anwendung über Infusionen.

Diebstahl in Krankenhäusern

Beschäftigte in Krankenhäusern erzählen, dass die Arznei auf vielen Stationen ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen in einem Schrank zusammen mit normalen Medikamenten wie Paracetamol und Aspirin aufbewahrt wird. Das führt auch in Berlin dazu, dass immer wieder Ketamin gestohlen und anschließend weiterverkauft wird.

Es gibt weitere Anwendungsgebiete für Ketamin, zum Beispiel als Therapeutikum bei Depressionen. Dazu wurde unter anderem jahrelang an der Berliner Charité geforscht. Seit Ende 2023 ist es in Deutschland für diesen Zweck zugelassen und wird zumeist dann verordnet, wenn gängige Antidepressiva nicht anschlagen. In Berlin bieten Privatpraxen auch Ketamin-Therapien an. In der Regel werden sie von Narkoseärzten in Absprache mit Psychiatern und Psychotherapeutinnen durchgeführt.

Als mögliches Anwendungsgebiet wird schließlich Autismus in Betracht gezogen. Zwei Studien, eine von 1991 und eine weitere von 2015, legen positive Effekte nahe. Demnach scheint eine sporadische Anwendung des Medikaments die Lebensqualität von Patienten verbessern zu können.

Es kommt also wie bei allen Medikamenten auf die Dosis und das Setting an. Wie sehr der Ketamin-Liebhaber Elon Musk seine Dosis im Griff hat, ist unklar.