Um zu verstehen, wie es gelingen kann, eine Bevölkerung in kürzester Zeit „kriegstüchtig“ zu machen, ist es sehr lehrreich, in der Geschichte zurückzublicken. Anhand der treffenden Analysen des amerikanischen Politikwissenschaftlers Harold Lasswell über die Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg sowie anhand des „Propagandablitzkrieges“ 1953 von Edward Bernays, einem der Begründer moderner Propaganda und Neffen von Sigmund Freud, lassen sich viele Parallelen zur heutigen Zeit ableiten.

Bernays war damals für die amerikanische United Fruit Company tätig (heute Chiquita), die ihre Profite durch die Landreform des demokratisch gewählten Präsidenten von Guatemala, Jacobo Árbenz, bedroht sah. Bernays hatte die Aufgabe, die amerikanische Bevölkerung gegen Árbenz aufzuhetzen und den illegalen Putsch vorzubereiten, welchen die CIA gemeinsam mit den Gegnern von Árbenz plante.

Bernays Strategie war so einfach, wie sie erfolgreich: Er beschwor die Geschichte eines fundamentalen Kampfes von „Gut“ gegen „Böse“ und überschwemmte die amerikanischen Medien über viele Monate mit Angstbotschaften über den angeblich von Moskau kontrollierten, „kommunistischen Diktator“ Jacobo Árbenz, der nicht nur sein eigenes Volk grausam unterdrückte, sondern auch kurz davorstand, in den USA einzumarschieren: „Bernays riet dem Unternehmen, so laut zu schreien, dass die Vereinigten Staaten einschreiten würden, um diese Bedrohung so nahe an ihrer Grenze zu kontrollieren [...]“, erzählt der Biograf von Bernays.

Einheitsmeinung herstellen

Harold Lasswell beschrieb diese Technik bereits 1938 als die „Interpretation von Krieg als den Kampf zwischen einer guten und einer bösen kollektiven Person“ und machte deutlich, dass ein Krieg ohne Propaganda schlicht nicht führbar sei: „Die psychologischen Widerstände gegen Krieg sind in modernen Nationen so groß, dass jeder Krieg als ein Verteidigungskrieg gegen einen bedrohlichen, mörderischen Aggressor erscheinen muss.“

Der Mechanismus, um diese Botschaft auch medial zu stützen, war damals denkbar einfach: Bernays lud die Journalisten zu Reisen nach Guatemala ein und stellte dort das Land als bösartig, kommunistisch und amerikafeindlich dar. Gemeinsam mit einem eigens von Bernays geschaffenen Pressedienst, der die amerikanischen Medien fortwährend mit Horrormeldungen über Árbenz versorgte, ließ sich so schnell eine Einheitsmeinung herstellen.

Auch heute stehen die Regierenden in Deutschland und Europa vor der Aufgabe, eine weitgehend friedliebende Bevölkerung davon zu überzeugen, vielen Hunderttausenden von Millionen Rüstungsausgaben, der (möglichen) Wiedereinführung der Wehrpflicht sowie Kriegsvorbereitungen gegen Russland zuzustimmen. Dass dabei in jährlichen Militärmanövern der Nato sowie Russlands paradoxerweise regelmäßig die (atomare) Zerstörung Europas simuliert wird, bleibt der Bevölkerung jedoch weitgehend unbekannt.

Politik und Medien bedienen sich dafür ganz ähnlicher Strategien wie der weiter oben dargelegten. Die Aussagen des Bundeskanzlers Friedrich Merz hierzu klingen fast wie aus den Analysen von Lasswell entnommen: „Es ist nicht nur ein Krieg gegen die Ukraine. Es ist ein Krieg gegen die Demokratie, gegen unsere Freiheit“, so Friedrich Merz. „Das ist der große Konflikt auf der Welt: Um Demokratie und gegen Diktatur. Die Ukraine muss den Krieg gewinnen. Russland muss den Krieg verlieren.“

Dass es möglich ist, ein solch simples und faktenwidriges Narrativ ohne kritischen Widerspruch seitens weiter Teile der Medien zu verbreiten, liegt nicht zuletzt an der empirisch gut belegten Einbindung vieler Alpha-Journalistinnen und -Journalisten in entsprechende transatlantische Netzwerke. Ähnlich wie bei Bernays 1953 kann sich dadurch auch heute eine mediale Berichterstattung etablieren, welche die Aufrüstung befürwortet.

Gleichzeitig muss heute abermals das Gefühl der russischen Bedrohung beschworen werden, denn dieses Gefühl ist direkt an eine Zustimmung zu Aufrüstung und Waffenlieferungen an die Ukraine gekoppelt, wie eine Studie der Bundeswehr herausfand: „Die Auswertung der Befragungsdaten offenbart, dass die Zustimmung zu Deutschlands militärischer Unterstützung der Ukraine maßgeblich davon abhängt, ob Russland als Bedrohung für die Sicherheit Deutschlands wahrgenommen wird: Jene Befragten, die Russland als eine Bedrohung wahrnehmen, stimmen der militärischen Unterstützung der Ukraine deutlich stärker zu als jene, die in Russland keine Bedrohung sehen (Zustimmung: 59 zu 22 Prozent).“

Durch das Narrativ, dass Russland (wie Árbenz 1953) nicht nur von einem bösartigen Diktatur regiert werde, sondern auch danach strebe, sich Europa in imperialen Großmachtsfantasien einzuverleiben, wird das Gefühl der Bedrohung stetig hochgehalten. Exemplarisch sei an dieser Stelle der Grünen-Politiker Anton Hofreiter zitiert, der kürzlich behauptete: „Wenn die Ukraine kapitulieren muss, unter dem Druck von Russland und den USA, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis die russische Armee das nächste europäische Land angreift.“

Aus der Perspektive der Kriegspropaganda ist dabei wichtig, die Bösartigkeit des Feindes durch sogenannte Gräuelpropaganda deutlich zu machen. „Der Feind ist in seiner Kriegsführung furchtbar grausam und degeneriert. Eine praktische Regel, um den Hass zu wecken, lautet: Wenn [die Bevölkerung] zuerst nicht wütend wird, dann verwenden Sie eine Gräueltat! Das wurde in jedem bekannten Konflikt immer wieder mit Erfolg angewandt“, bemerkte dazu Harold Lasswell.

Ein besonders eklatantes Beispiel dafür sind die Äußerungen der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die kürzlich in einer Talksendung erklärte: „Wladimir Putin ist ein Mörder, ein Killer, der Hunderte von Millionen Menschen unter die Erde gebracht hat.“ Des Weiteren behauptete sie, dass die Ukraine 70 Milliarden Menschen ernähre. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussagen lässt sich leicht überprüfen: Strack-Zimmermann geht somit davon aus, dass der russische Präsident mehr Menschen „unter die Erde gebracht hat“, als laut offiziellen Zahlen im Ersten und Zweiten Weltkrieg zusammen gestorben sind und dass die Ukraine laut ihrer Aussage die gesamte Weltbevölkerung circa 8,5-mal ernähren könnte.

Als der Autor daher beschloss, diese Aussagen bei mehreren Faktencheckern, die sich dem Kampf gegen für „Desinformation“ verschrieben haben, zu melden, war das erstaunliche Ergebnis: Entweder erklärten sich die Portale für das öffentlich-rechtliche Fernsehen nicht zuständig oder sie lehnten eine Bearbeitung des Falles und einen Faktencheck der getroffenen Aussagen ab, mit der Begründung, es gebe wichtigere Fälle zu bearbeiten.

Das Beispiel mag anekdotisch klingen, es offenbart jedoch eine weitere Facette moderner Propaganda: den Einsatz sogenannter Faktenchecker, die im vorgeblichen Kampf gegen „Desinformation“ immer wieder in den öffentlichen Debattenraum eingreifen und Narrativen wie der „russischen Bedrohung“ oder dem Kampf gegen einen „satanischen Feind“ den Rücken stärken. Ihre Strategie, bereits kursierende Botschaften als „Desinformation“ oder „irreführend“ abzuwerten, wird auch als „De-Bunking“ bezeichnet. In der sogenannten Kognitiven Kriegsführung der Nato, dem modernsten Manipulationsprogramm der Geschichte, das von dem Militärbündnis seit dem Jahr 2020 verstärkt vorangetrieben wird, werden Faktenchecker ausdrücklich für ihre Rolle im Kampf um die Köpfe und Herzen der Menschen gelobt. Sie würden dabei helfen, „seriöse Journalisten“ von „dubiosen sozialen Medien“ unterscheiden zu können. Dass es ihnen dabei nicht einmal möglich ist, eklatante Falschaussagen wie die von Frau Strack-Zimmermann als solche zu kennzeichnen, hat ihnen immer wieder den Vorwurf eingebracht, nicht „Fakten“ zu checken, sondern das gewünschte Narrativ zu schützen.

Damit die Schlichtheit eines heroischen Kampfes von „Demokratie gegen Diktatur“ sowie die Botschaft einer unmittelbaren Bedrohung durch Russland weder auffällt noch kritisch hinterfragt werden, greift oft ein medial sehr wirksamer Trick, der nur selten bemerkt wird: Im Zuge der zunehmenden Aufrüstung wird über Randthemen lebhaft diskutiert, während die eigentliche Botschaft nicht infrage gestellt wird. Fragen wie beispielsweise: „Wie viele Milliarden sollten in Aufrüstung investiert werden?“, „Sollte es der Ukraine erlaubt werden, russisches Hinterland anzugreifen?“, oder „Sollte die Wehrpflicht in Deutschland“ wieder eingeführt werden – all diese Fragen werden durchaus kontrovers diskutiert und abweichenden Stimmen wird Raum gegeben. Dass gleichzeitig das eigentliche Narrativ, die steigende Bedrohung durch ein wesenhaft böses, aggressives Russland, dadurch nicht nur nicht infrage gestellt, sondern sogar noch gestärkt wird, fällt dabei kaum auf.

Wie ganzheitlich der mediale Kampf um die Köpfe und Herzen der Menschen geführt wird, lässt sich gut daran erkennen, dass auch das Bildungswesen und damit junge Schülerinnen und Schüler in den Kampf gegen „Desinformation“ mit einbezogen werden. In diesem Zusammenhang erklärte der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter, der noch 2024 gefordert hatte, man müsse den „Krieg nach Russland tragen“, wie wichtig es für die Akzeptanz der Aufrüstung sei, die Angst vor Russland fest in den Köpfen und Herzen der Bevölkerung zu verankern.

Vor allem die Kinder und Jugendlichen spielen dabei eine zentrale Rolle: „Wenn Sie die jüngere Generation fragen, die auf TikTok auch teilweise sehr negativ aus China und Russland beeinflusst wird, haben die nicht das Bedrohungsgefühl. Und dies zu ändern, bedarf der Erziehung, der Bildung [...]“, so Kiesewetter.

In der Kognitiven Kriegsführung wird diese „Schulung“ von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen auch als „Pre-Bunking“ bezeichnet. Damit ist gemeint, dass man Menschen beibringen möchte, bestimmte Inhalte wie Kritik an Regierungen oder auch der Nato sofort als „Desinformation“ oder „Verschwörungstheorie“ einzuordnen und abzublocken, noch bevor sie aufgenommen werden. Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, erklärte im Mai 2024, wie wünschenswert das Pre-Bunking bei der medialen Meinungsmache sei: „Die Forschung hat gezeigt, dass Pre-Bunking erfolgreicher ist als De-Bunking. Pre-Bunking ist das Gegenteil von De-Bunking. Kurz gesagt: Prävention ist besser als Therapie. [...] Stellen Sie sich Informationsmanipulation wie ein Virus vor. Anstatt die Infektion zu bekämpfen, wenn sie schon Fuß gefasst hat, ist es besser zu „impfen“, sodass unser Körper geschützt ist.“

Wie extrem die Propagandabotschaften inzwischen gesteigert werden und wie weit die unheilvolle Mischung aus De-Bunking, Pre-Bunking, Narrativkontrolle und Feindbildaufbau gehen kann, das zeigt eine kürzlich in 3sat ausgestrahlte Sendung, in welcher der Historiker Egon Flaig zu Wort kam. Flaig beklagte darin einen jahrzehntelangen Pazifismus in Deutschland und forderte eine „kulturelle Umprogrammierung einer weitgehend entpolitisierten [...] Gesellschaft“.

Er führte weiter aus: „Die Unwilligkeit für Eltern, ihre Kinder als Soldaten zu sehen, das heißt, als Mitglieder des Gemeinwesens, die eventuell geopfert werden für das Gemeinwesen, die geopfert werden für die Aufrechterhaltung unseres Lebens, so wie wir es weiterpflegen wollen – dieser Wille, dieses Opfer auch bringen zu wollen, ist ein schmerzliches.“

Aldous Huxleys Ausweg

Die Aussagen von Flaig sollen hier als mahnendes Beispiel dafür stehen, wie weit Propaganda gehen kann und wie gefährlich ihre Auswirkungen sind. Den Ausweg aus der Kriegstüchtigkeit in den Köpfen und Herzen der Menschen zeigte der britische Intellektuelle Aldous Huxley bereits vor fast 70 Jahren auf: „Die Auswirkungen falscher und verderblicher Propaganda lassen sich nicht anders neutralisieren als durch gründliche Einübung der Kunst, die Verfahrensweisen jener zu analysieren und ihre Sophistereien zu durchschauen.“

Es bedarf daher einer gewissenhaften Aufklärung über die unterschiedlichen Techniken der Kriegspropaganda und einer ebenso starken wie entschlossenen Friedensbotschaft. Denn nicht nur die Militärs, auch die Bevölkerung sollte wissen: Ohne ihre Zustimmung ist kein Krieg, keine Aufrüstung und keine Waffenlieferungen möglich – daher liegt es an uns, gemeinsam „Nein“ zu sagen.


Dr. Jonas Tögel ist Amerikanist, Propaganda-

forscher und Bestsellerautor. Er hat zum Thema Soft Power und Motivation promoviert und

arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Psychologie der Universität Regensburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Motivation, der Einsatz von Soft-Power-Techniken, Nudging, Propaganda sowie

Geostrategie. Zuletzt erschien sein Buch

„Kriegsspiele“ im Westend-Verlag. Mehr

Informationen zum Autor auf der Internetseite www.jonastoegel.de