Freitag, 2. Juni 2023, Berliner Zeitung
Riskanter Heizungstausch
Asiatische Hersteller von Wärmepumpen drängen auf den deutschen Markt. Sie setzen auf synthetische Kältemittel, die aber Umweltgefahren mit sich bringen. Deutsche Produzenten vermeiden dagegen die „Ewigkeits-Chemikalie“
Chiara Maria Leister
Das neue Gebäudeenergiegesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sorgt nicht nur für Unruhe bei Immobilienbesitzern – etwa weil für sie ein Heizungstausch bevorsteht –, es hat vor allem auch die Nachfrage nach Wärmepumpen in die Höhe getrieben. Das ist zumindest gut für die deutsche Wirtschaft, oder?
Kürzlich hat der chinesische Staatskonzern Gree, einer der größten Hersteller von Wärmepumpen in der Volksrepublik, im Zusammenhang mit der Wärmewende in Deutschland eine Expansion auf dem europäischen Markt angekündigt. Das japanische Unternehmen Daikin, als weltweit größter Hersteller von Klimaanlagen, will bis zum Jahr 2025 seine Produktionskapazität von Wärmepumpen in Deutschland sogar verdreifachen. Dass die Asiaten den Deutschen den Markt wegschnappen, haben wir schon einmal erlebt.
Der Kampf um den Wärmepumpenmarkt erinnert an den Solarmarkt in Deutschland nach der Jahrtausendwende. Damals wurde die deutsche Solarindustrie erst aufgebaut und dann von stark subventionierten Herstellern aus China verdrängt. Befinden wir uns wieder in einer solchen Lage?
675-mal schädlicher als CO2
„Asiatische Hersteller haben zwar geringere Herstellungskosten, jedoch sind ihnen die Europäer im Bereich der Luft-Wasser-Wärmepumpen für Wohngebäude technologisch aktuell einen Schritt voraus“, sagt Michael Schaub, Ingenieur und Professor für Energieeffiziente Gebäudetechnik an der Hochschule Coburg, der Berliner Zeitung. Wo die meisten europäischen Hersteller überwiegend auf Propan als Kältemittel setzen, setzen asiatische Hersteller bislang verstärkt das Kältemittel R32 ein. „Beim Kältemittel hat sich die Strategie der deutschen beziehungsweise europäischen Hersteller durchgesetzt, und die asiatischen Hersteller kündigten jüngst erst an, nachzuziehen“, sagt Schaub.
Inwieweit spielt das Kältemittel bei der Wärmepumpe eine Rolle? Es ist entscheidend für die Wirksamkeit des Geräts. Es fließt in einem Kreislauf, nimmt Wärme von außen auf, wird komprimiert und dadurch erhitzt. Anschließend gibt das Kältemittel die gewonnene Wärme an das Heizsystem des Hauses ab. Kühlt es ab, beginnt der Kreislauf von vorn.
Als die Berliner Zeitung vor Kurzem Daikin kontaktierte, teilte der japanische Wärmepumpenhersteller mit, als Erster das Kältemittel R32 in Wärmepumpen und Klimaanlagen eingesetzt zu haben. Das Mittel lasse sich aber nicht unbedenklich einsetzen, kritisiert Schaub. Das Kältemittel erfülle zwar die F-Gas-Verordnung der EU, enthalte aber immer noch Fluor. „Und das wirkt stark als Treibhausgas.“ Immerhin habe R32 eine 675-mal so starke Wirkung wie CO2. Was bedeutet das konkret?
Wärmepumpen seien nicht hundertprozentig dicht. „Das ist der erste Teil der Problematik“, erklärt Ingenieur Schaub. Die Kupfer-Komponenten seien zwar verlötet, innerhalb der zehn- bis 20-jährigen Lebensdauer der Maschine gebe es jedoch Leckagen. Zudem stelle sich die Frage, was mit dem Gerät passiere, wenn es außer Betrieb gehe. „Wird die Wärmepumpe dann ordentlich recycelt? Wird das Kältemittel ordnungsgemäß aufgefangen oder wird es einfach in die Atmosphäre abgelassen?“ Letzteres würde bedeuten, dass im Laufe der Zeit zig Millionen Maschinen, die das schädliche Kältemittel enthalten, einen Stoff in die Atomsphäre abgeben, der 675-mal so stark als Treibhausgas wirke wie CO2.
Außerdem entstünde ein Abbauprodukt bei den sogenannten teilhalogenierten Kältemitteln, zu denen R32 gehört. Es bilde sich Trifluoressigsäure (TFA): „Durch Niederschlag verbreitet sich TFA großflächig in der gesamten Umwelt und kontaminiert schließlich das Grundwasser“, erläutert Schaub. Es sei dann nur eine Frage der Zeit, bis man Grenzwerte erreiche.
Mit der besagten EU-Verordnung über fluorierte Treibhausgase wird seit dem 1. Januar 2015 kontinuierlich das Inverkehrbringen bisher üblicher Kältemittel wie zum Beispiel R410A reduziert. Dadurch haben sich laut Schaub für Wohngebäude zwei Trends entwickelt: R32- und Propan-Wärmepumpen.
Daikin ist Vorreiter im Bereich R32 und besitzt die meisten Patente für Wärmepumpen-Bestandteile mit diesem Kältemittel, von denen zwischenzeitlich jedoch viele freigegeben wurden. Der japanische Hersteller hat vor allem damit geworben, dass R32 nicht brennbar sei.
Propan beziehungsweise R290 hingegen sei zwar brennbar, das habe man jedoch durch Sicherheitskonzepte gut im Griff. So dürften Komponenten der Wärmepumpe, die Propan enthalten, ausschließlich außerhalb des Gebäudes aufgestellt werden. „Propan beziehungsweise natürliche Kältemittel sind technisch die deutlich bessere Wahl“, argumentiert der Ingenieur.
Die genannten Umweltrisiken des synthetischen Kältemittels R32 habe man bei der natürlichen Alternative Propan nicht. Letzteres käme derzeit primär in Wärmepumpen für Wohngebäude zur Anwendung. „Da ist der technologische Vorsprung einfach so eklatant, dass es sich durchsetzen wird.“ Außerdem sei es effizienter und besser für Bestandsgebäude geeignet, weil man auch Vorlauftemperaturen von 70 Grad erreichen könne.
Auch der Klimalösungsanbieter Viessmann, Marktführer für Wärmepumpen in Deutschland, äußert sich zu den Unterschieden beim Kältemittel. „Die meisten asiatischen Hersteller nutzen immer noch die PFAS-Gase, die als sogenannte Ewigkeitschemikalien in der Umwelt zu finden sind“, sagt Viessmann-Sprecher Jörg Schmidt der Berliner Zeitung. Der deutsche Hersteller benutze bis auf ein einziges Modell, eine Warmwasser-Wärmepumpe, Propan. Dieses habe ein extrem niedriges Global Warming Potential (GWP). „Da unterscheiden sich die deutschen Hersteller qualitätsmäßig“, sagt er.
Dennoch setzen sich laut dem Ingenieur Schaub in größeren Wärmepumpen, die über den Wohngebäude-Bereich hinausgehen, bislang eher synthetische Kältemittel durch. „Auch deutsche Klimatechnikhersteller sind der Auffassung, dass die Wärmewende ohne synthetische Kältemittel nicht zu schaffen sei“, räumt er ein.
Aber nicht nur das Kältemittel stellt aktuell bei den asiatischen Produkten noch ein Hemmnis dar. Auch der Zugang zum Installateur sollte bedacht werden. „In Deutschland hat praktisch jeder Heizungsbauer sein Hersteller-Portfolio, denn man muss sich mit dem Produkt und dem Einbau der jeweiligen Wärmepumpe erst mal auseinandersetzen“, erklärt Schaub. Solange es keine Not am Markt gebe, sehe er keinen Grund für die Heizungsinstallateure, ihr Portfolio auf günstigere Hersteller auszuweiten.
Dennoch müsse man akzeptieren, dass die asiatischen Hersteller aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung mit Split-Geräten und ihrer Stückzahlen andere Möglichkeiten als die Deutschen haben. So würden sie die Komponenten für die Wärmepumpe in ihrer eigenen Wertschöpfungskette herstellen. Beispielsweise entwickelt und produziert Daikin alle wichtigen Komponenten selbst, wie eine Unternehmenssprecherin jüngst bestätigte.
Europäische Hersteller besitzen laut Schaub meist keine eigenen Verdichter, die neben Verflüssigern und Verdampfern zu den Kernkomponenten der Wärmepumpe zählen. „Die Wärmepumpe besteht nicht nur aus dem Kältekreis“, führt er aus. Die asiatischen Hersteller würden zwar den Kreislauf beherrschen, oft bestehe jedoch noch Nachholbedarf in Sachen Systemintegration. Themen wie Hydraulik, Abtauwärme, Trinkwarmwasser oder Regelungstechnik stünden bei den Split-Geräten beziehungsweise Luft-Luft-Wärmepumpen, mit denen die asiatischen Hersteller bislang ihre sehr großen Stückzahlen erreichen, nicht im Fokus. „Hier können die Europäer mit ihrer Erfahrung bei Pumpenwarmwasserheizungen punkten“, so Schaub.
Knackpunkt Handwerksfirmen
Haben deutsche Hersteller noch eine Chance auf dem europäischen Wärmepumpenmarkt, wenn die asiatischen Hersteller beim Propan erst mal nachgezogen haben? Laut Schaub wird der Markt in der nächsten Dekade nicht gesättigt sein. „Das heißt, es sind eigentlich für alle Wärmepumpenhersteller mehr als genug Gebäude vorhanden, die umgerüstet werden müssen“, sagt er. Auch Viessmann-Sprecher Schmidt ist sich sicher, dass Deutschland in Sachen Technologie insbesondere bei Luft-Wasser-Wärmepumpen gegenüber asiatischen Herstellern weiter führend bleibt.
Der Coburger Professor für Energieeffiziente Gebäudetechnik sieht den Engpass vielmehr im Handwerk als in der Industrie. „Es wird Wärmepumpen von asiatischen als auch von deutschen und europäischen Herstellern in großer Stückzahl geben“, sagt Schaub, „die Frage bleibt, wie viele wir eingebaut bekommen.“