Deutschland hat ambitionierte Ziele bei der Energiewende. Bis 2045 soll die Bundesrepublik klimaneutral sein – entsprechend intensiv wird am flächendeckenden Umstieg auf erneuerbare Energien gearbeitet. Allerdings sorgt die zunehmende Einspeisung von Wind- und Solarstrom immer häufiger für Überlastungen im Stromnetz, vor allem wegen fehlender Speicherkapazitäten. Und auch die Hitze im Sommer wird offenbar zum Problem.

Experten betonen nun in einem Bericht des Energie-Nachrichtenportals Montel News, dass die Hitzewellen im Sommer das deutsche Stromnetz enorm belasten. „Wir können definitiv sagen, dass wir auf diese häufigen Hitzewellen nicht wirklich vorbereitet sind“, warnte Pawel Czyzak, Programmleiter Europa bei der Denkfabrik Ember. In Frankreich, Deutschland, Spanien und Südosteuropa seien die Strompreise an der Börse diesen Sommer durch Hitzewellen stark gestiegen. Die Preissprünge seien „ein Zeichen dafür, dass das System unter Stress steht“.

Frankreich musste aufgrund der starken Hitze in diesem Sommer die Kapazität seiner Atomkraft drosseln. Anfang Juli sorgte die Abschaltung mehrerer AKW für einen Anstieg des französischen Spotpreises auf 117 Euro/MWh – der höchste Stand seit Mitte März. Das hatte auch Auswirkungen auf Nachbarländer wie Deutschland: Nach der Abschaltung der französischen Atomkraftwerke explodierte beim norwegischen Stromanbieter Tibber plötzlich der deutsche Strompreis.

Im Falle eines Ausfalls von günstigem Atomstrom springt teurer Gaskraftstrom ein – der dann den Preis für alle setzt (Merit-Order-Prinzip). Wenn die Preise durch AKW-Abschaltungen steigen, kauft Frankreich Strom zu günstigeren Preisen aus Deutschland ein. Die Mehrnachfrage erhöht dann auch hierzulande den Preis.

„In Frankreich fehlen bereits mehrere Gigawatt“, erklärte Energieexperte Czyzak – das sei also „keine Bagatelle für das europäische Stromsystem“. Teile Deutschlands und Frankreichs hätten Mühe, mit der Preisvolatilität am kurzfristigen Markt umzugehen, sagte Robin Girmes, Geschäftsführer von Energy Weather, gegenüber Montel News. Diese entstehe dann, wenn morgens und abends die Solarenergie sprunghaft ansteigt beziehungsweise abfällt. In den Stunden des Übergangs müssten dann schnell teure Kohle- oder Gaskraftwerke einspringen. Laufen die Anlagen nur wenige Stunden, verteuere sich ihr Einsatz dadurch weiter.

„Jetzt, im Spätsommer zwischen 15 und 17 Uhr, sehen wir einen Rückgang der Solarproduktion um mehr als ein Gigawatt alle fünf Minuten. Das muss von konventionellen Kraftwerken kompensiert werden“, sagte Girmes. Das Stromsystem sei „am Limit“.

Laut Pawel Czyzak sorgt auch steigender Strombedarf während der Hitzewellen für zusätzlichen Druck auf das Stromnetz – vor allem durch den Betrieb von Klimaanlagen. Letzte Woche habe der Anstieg der Spitzenlast in Frankreich und Deutschland bei fünf bis zehn Prozent gelegen. „Das ist angesichts des knappen Angebots ziemlich viel“, so Czyzak.

Manuel Frondel, Bereichsleiter für Umwelt und Ressourcen am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI Essen) und Kolumnist für die Berliner Zeitung, betonte auf eine frühere Anfrage, dass der „exorbitante Ausbau der erneuerbaren Energien bei gleichzeitig fehlenden Speichern und Netzen“ das größte Problem des deutschen Stromnetzes ist. Deutschland und Europa müssten „bei der Stromerzeugung resilienter werden“, sagte er. Investitionen in regenerative Erzeugungstechnologien alleine würden „nicht reichen“. Es brauche auch den Ausbau komplementärer konventioneller Technologien. „Zusätzliche Gaskraftwerke hätten gegen Preisspitzen geholfen“, so Frondel.