Seit den diversen amerikanischen Enthüllungen zur Sprengung der russisch-deutschen Nord-Stream-Pipelines steht der Verdacht im Raum, dass die Urheber und Mitwisser der Aktion im Kreis der westlichen Verbündeten oder in der mit Milliarden deutschen Steuergelds unterstützten Ukraine zu suchen sind. Im Hergang mögen die präsentierten Szenarien voneinander abweichen – dass aber westliche (und mit großer Wahrscheinlichkeit auch ukrainische) Strukturen in die Nord-Stream-Explosionen vor fast zwei Jahren verwickelt sind, kann als gesichert gelten.

Selbst die eisernsten proukrainischen Parteigänger haben verstanden, dass sie nicht mehr einfach mit dem Finger Richtung Moskau zeigen und behaupten können: Putin war’s. Dafür flüchten sie in zynische Defensivstrategien: Schade um die schöne Pipeline, aber recht geschehen. Ein Beispiel ist der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter. Er entschuldigt alles mit dem Hinweis, schließlich seien die Ukrainer die Angegriffenen. Offensichtlich berechtigt das zur Zerstörung deutscher Energieversorgung. Die Gaspreise nach Kriegsende scheinen dem Volksvertreter wurscht zu sein: „Die Sicherheit der Ukraine – egal, ob sie das zerstört haben oder nicht – ist in unserem Interesse.“

Geradezu erbärmlich ist das Verhalten der Bundesregierung: alle Köpfe in den Sand. Selbst wenn das Wall Street Journal schreibt: „Einige deutsche Politiker waren möglicherweise bereit, Beweise zu übersehen, die auf die Ukraine hindeuten, aus Angst, die heimische Unterstützung für die Kriegsanstrengungen zu untergraben“ – kein Kommentar.

Was immer die Medien ausgraben, es ist wie in den Wind geredet. War die Regierung über die Anschlagspläne oder die mögliche Urheberschaft der Ukraine informiert? Warum trugen die Behörden den deutschen Haftbefehl nicht in das europäische Schengen-Register ein? Ist es wahr, dass dadurch die rechtzeitige Festnahme des mutmaßlich Tatbeteiligten verhindert wurde? So behauptet es die polnische Generalstaatsanwaltschaft.

Antworten auf eben diese Fragen hat jetzt das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in einer offiziellen Anfrage verlangt. Vergebens. Die Ermittlungen lägen beim Generalbundesanwalt, im Übrigen nehme die Bundesregierung zu „Einzelheiten konkreter Fälle des Rechtshilfeverkehrs“ keine Stellung. Was folgt, sind Phrasen aus dem Thesaurus politischer Verdunkelung: „laufende Verfahren“, „berechtigte Geheimhaltungsinteressen“ oder „international praktizierte Vertraulichkeit“.

Einen einzigen Hinweis mit Sachbezug enthält die Regierungsantwort. Demzufolge ist die Ausschreibung eines Europäischen Haftbefehls im Schengener Informationssystem eine Kann-Bestimmung. Will sagen: kann, aber muss nicht. Soll wohl heißen, die Behörden hätten ihre Pflicht getan.

Sahra Wagenknecht spricht von „dröhnendem Schweigen“, von „offenbar stümperhafter Verfolgung“ des mutmaßlich Tatverdächtigen und von „großem Aufklärungsbedarf“. Die Verweigerungshaltung der Regierung mache die Einsetzung des von ihrem Bündnis geforderten Untersuchungsausschusses umso dringlicher.

Man kann einen Schritt weitergehen. Eine Demokratie, die nicht mehr in der Lage ist, die eigenen Interessen auch nur zu formulieren, verspielt den Rest ihres Ansehens nach innen und außen. War es nicht dieselbe Regierung, die das Protestgeschehen gegen Corona-Schutzmaßnahmen als „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ diskreditierte?

Man wundert sich über die Breitbeinigkeit, mit der die Ampel-Regierung auch angesichts katastrophaler Wahlniederlagen dem Volk und seinen Vertretern immer noch gegenübertritt. Dass sie sich vor Aluhüten und Querdenkern autoritär aufblasen kann, hat diese Koalition ja zur Genüge bewiesen. Soviel Stirn hat sie noch. Aber Verbündeten (und solchen, die es gerne wären) selbstbewusst zu begegnen, wenn sie im Verdacht stehen, zentrale Bausteine der deutschen Energieversorgung in Stücke gesprengt zu haben? Da schaut man durch die Finger. Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts.

Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen – wenn man auch sonst mit den Chinesen nicht viel zu tun haben will, ihre Weisheiten kommen gerade zupass. Wen das beeindruckt? Das eigene Staatsvolk jedenfalls nicht. Wer sich fragt, warum viele Menschen in Deutschland für ihren Staat nur noch ein Grinsen übrig haben, braucht nicht lange zu suchen. Oder um ein Fremdwort zu bemühen: Dieser Staat delegitimiert sich selbst.