Aufruhr im Pankower Schloßpark-Kiez. Seit mehr als vier Jahren kämpfen Anwohner und Bezirk gegen die Nachverdichtung zweier Innenhöfe an der Ossietzkystraße. Jetzt versucht die Gesobau mit einem neuen Bauantrag, ihr geplantes Bauprojekt doch noch durchzudrücken und gibt vor, eine Modulare Unterkunft für Flüchtlinge bauen zu wollen.

„Für uns völlig überraschend erfuhren wir, dass die Gesobau AG für zwei Wohngrünflächen zwischen Kavalierstraße/Ossietzkystraße/Am Schoßpark/Wolfshagener Straße erneut einen Bauantrag gestellt hat. Dieser droht, kurzfristig vom Senat genehmigt zu werden“, schrieben Mitglieder der Anwohner-Initiative in einer Mitteilung. Die Rodung von 93 Bäumen stehe unmittelbar bevor. Seit vier Jahren kämpfen die Pankower mit Konzerten und Aktionen gegen eine Bebauung. Am Ende hatten sie den Bezirk überzeugt, eine Klage der Gesobau wurde zurückgenommen. Ein B-Plan ist in Arbeit.

Nun aber kommt das städtische Wohnungsbauunternehmen mit Trick um die Ecke, meinen die Anwohner. Die Gesobau versuche, ihre Bauplanungen aus dem Jahr 2019 durchzudrücken, welche einhellig abgelehnt werden. „Hierfür ‚etikettiert‘ sie die alten, genau gleichen Bauvarianten als MUF-Vorhaben, also Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge, um diese – am Bezirk und den Bürgern vorbei – durch die Senatsbauverwaltung mit Sonderbaurecht durchzupeitschen“, kritisiert die Bürgerinitiative Grüner Kiez Pankow und bezeichnet das Vorgehen als schockierend.

„Bei Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften ist die Belegungsdichte üblicherweise deutlich höher als bei Wohngebäuden gleicher Größe, was erhebliche Auswirkungen auf die Grün- und Kinderspielflächen sowie Kindergarten- und Schuleinrichtungen haben dürfte. Sowohl die soziale Infrastruktur als auch die grüne Infrastruktur sind in diesem Gebiet defizitär, der Mangel wird damit weiter verschärft“, erläutert Pankows Bezirksbürgermeister Sören Benn.

Schulen schon jetzt überbelegt

Scharfe Kritik kommt auch vom stadtentwicklungspolitischen Sprecher der Linken im Bezirk, Fred Bordfeld: „Dass Senator Geisel hier jetzt das Sonderbaurecht missbraucht, um gute Argumente der Bürgerschaft und bezirkliche Ziele und Beschlüsse einfach vom Tisch zu wischen ist eine Unverschämtheit. Hier wird die Notlage bei der Unterbringung von Geflüchteten instrumentalisiert, um eine unsoziale und unökologische Betonpolitik durchzudrücken.“ Bordfeld fordert die Gesobau auf, ihren Bauantrag zurückzuziehen. Es brauche ein Moratorium zur Fällung der 92 Bäume in den Höfen und eine Rückkehr zum ordnungsgemäßen Planverfahren des Bezirks Pankow.

Schon jetzt sind die Schulen im Kiez überbelegt. Eine neue Schule auf dem Gelände des Sommerbads Pankow wird zeitnah nicht gebaut. Eine Versorgung mit Plätzen ist nicht gewährleistet. Auch befinden sich in Pankow bereits die meisten Unterkünfte für Flüchtlinge in der Stadt. Pankow hat 15 Unterkünfte, 4500 Personen finden dort Platz. Derzeit werde nach weiteren Unterkünften sondiert, so Benn.

Die Gesobau und die Senatsverwaltung negierten einen mehrjährigen demokratischen Prozess zwischen Anwohnerschaft, BVV und Bezirksamt Pankow, so die Initiative zu den neuen Plänen. „Es werden nicht nur die bezirkliche Planungshoheit, der Wille der BVV und die Bedürfnisse der Anwohnerschaft hintergangen, sondern es wird das Leid einer der schwächsten Gruppen der Gesellschaft schamlos instrumentalisiert, um Profitinteressen der Gesobau AG und Profilierungseifer von Geisel, Gaebler und Co. durchzusetzen“, empören sich die Anwohner.

„Grüne Höfe sind die Antwort auf den Klimawandel in der Stadt, sie dürfen auf gar keinen Fall bebaut werden“, sagt Anwohnerin Britta Krehl. „Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es zum Totlachen: Es sind genau die gleichen Baupläne, die vor drei Jahren als Wohnungsbauten keine Genehmigung bekommen haben. Nun macht die Gesobau durch die Hintertür unter anderer Bezeichnung den zweiten Versuch. Das ist absurd und unmoralisch!“

Senat: Noch nicht entschieden

Auf eine Anfrage antwortet die Pressestelle des Bausenators zugeknöpft: „Es handelt sich hier um ein laufendes Verfahren, über das noch nicht entschieden wurde.“ Deswegen könne man keine weiteren Auskünfte erteilen. Die Errichtung von MUFs sei in Paragraf 246 Absatz 14 des Baugesetzbuches geregelt.

„Der Bezirk hält an den Zielen des sich in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes 3-88B fest und möchte den gemeinsam mit der Gesobau AG eingeschlagenen Weg einer maßvollen Wohnungsbaunachverdichtung innerhalb des hier in Rede stehenden Straßengevierts unter Beachtung der oben dargestellten sozialen und ökologischen Belange weiter beschreiten“, so Bezirksbürgermeister Benn. Selbstverständlich unterstütze der Bezirk das Ziel, in einem maßvollen Wohnungsbaunachverdichtungsvorhaben Geflüchtete unterzubringen. Den Gesobau-Antrag bezeichnete Benn als konfrontativ, die Not bei der Unterbringung Geflüchteter werde als Hebel zur Durchsetzung genutzt.