Es gibt Dinge, die bekommt man gedanklich nur sehr schwer zusammen. Riesenslalom auf Sylt zum Beispiel. Oder Eisbaden in Hurghada am Roten Meer. Oder Franken und „alkoholfrei“. Immerhin kommen aus dem Landstrich in Süddeutschland (Franken zählen sich selbst eher nicht zu Bayern) sehr feine Bierbrauer. Die Seite bierland-franken.de zählt 260 Institutionen auf – nur in Franken. Da dürfte Kerstin Gößl keinen leichten Stand haben.

In Großenohe, einem kleinen Dorf in der Fränkischen Schweiz, betreiben sie und ihr Mann Vladimir Kloz seit fünf Jahren einen Gasthof mit Biergarten. So weit, so fränkisch normal. Doch seit einigen Monaten gibt es in der Gaststätte „Zur Sägemühle“ keinen Alkohol mehr. Bier, Wein, Secco – alles ist nur noch alkoholfrei zu haben.

Der Grund ist sehr persönlich. Offen erzählt Kerstin Gößl, 48, von der Alkoholkrankheit ihres Partners. Der Stress in der Gastrobranche, der immer verfügbare Alkohol – irgendwann sei es nicht mehr gegangen. Anfang des Jahres machte er einen Cut, ging in die Entgiftung. Danach war die Frage: Wie weitermachen? Für das Paar gab es nur eine Lösung – die Gastwirtschaft weiter betreiben, aber ohne alkoholhaltige Getränke.

Jahrelang habe es ja geheißen, ein Wirt müsse trinkfest sein, sagt Gößl. Es werde so getan, als sei Alkoholkonsum normal – „ist es aber nicht“. Ihr Mann ist mit seiner Erkrankung nicht allein. Beim Bundesgesundheitsministerium heißt es: „7,9 Millionen Menschen der 18- bis 64-jährigen Bevölkerung in Deutschland konsumieren Alkohol in gesundheitlich riskanter Form.“ Die bisherigen Erfahrungen vor allem an den ersten Sonntagen mit schönem Wetter in diesem Jahr geben Gößl recht – der Biergarten war voll: „Vor allem viele junge Leute waren da.“

Inzwischen bekommen die Wirtsleute Gößl aus vielen Regionen Kostproben alkoholfreier Biere oder anderer Getränke ohne Alkohol zugeschickt. Kerstin Gößl packt zum Beweis ein Paket aus – alkoholfreies Weißbier, glutenfrei außerdem. Denn nicht nur die Getränkekarte ohne Alkoholisches unterscheidet den Gasthof von vielen anderen Wirtschaften der Region: Hier gibt es auch glutenfreie und laktosefreie Gerichte. Und vegane Alternativen wie Soja-Gulasch.

Vor allem in den sozialen Netzwerken kassieren die Wirtsleute durchaus auch negative Kommentare für ihr Konzept, wie sie selbst sagen. Die resolute Wirtin lässt sich davon nicht beirren, liest die Kommentare laut vor, schüttelt den Kopf – und macht weiter. (mit dpa)