Deutschland leidet nach wie vor an einem bekannten Problem: Solar- und Windenergie produzieren mehr Strom, als das Stromnetz aufnehmen oder sinnvoll weiterverteilen kann. Dieses Phänomen wird „negative Strompreise“ oder auch „Abregelung von Erneuerbaren“ genannt. Das Land benötigt deswegen gigantische Batterieparks, um die gewonnene Energie speichern zu können.

Vor wenigen Tagen ging in Schleswig-Holstein einer der größten Batteriespeicher Deutschlands offiziell ans Netz. Die Anlage in Bollingstedt (Kreis Schleswig-Flensburg) soll den erneuerbaren Strom speichern und in den morgendlichen und abendlichen Nachfrage-Spitzen in das Stromnetz zurückspeisen. Bis zu 170.000 Mehrpersonen-Haushalte sollen für zwei Stunden mit Strom versorgt werden können.

Der Bund plant noch weitere Parks wie diesen. Doch wird das ausreichen? Ist die in den 1990er-Jahren entwickelte Technologie der Lithium-Ionen-Akkus wirklich der richtige Weg, um nachhaltig zu speichern?

Schwankungen ausgleichen

Die vom deutsch-norwegischen Energieunternehmen Eco Stor und der EPW GmbH errichtete Anlage in Schleswig-Holstein besteht aus 64 Containern mit Lithium-Ionen-Batterien sowie 32 Containern für Wechselrichter und Transformatoren. „Mit Speichern wie hier in Bollingstedt können wir die Energiewende weiter mit hohem Tempo vorantreiben“, sagte Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Tobias Goldschmidt (Grüne) nach der Einweihung. Denn Speicher seien wahre Multitalente: „Sie gleichen die natürlichen Schwankungen bei der Solar- und Windenergie aus; sie stabilisieren die Netze, senken die Strompreise und sorgen für mehr Grünstrom in unseren Netzen.“

Während Batteriespeicher dezentral Flexibilität schaffen und Lastspitzen abfedern können, ersetzen sie den Stromnetzausbau aber nicht vollständig, sagt Forscherin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. Beide Technologien würden sich ergänzen. „Batteriespeicher sind aber deutlich kostengünstiger und können schneller realisiert werden, weshalb sie eine wichtige Rolle bei der kosteneffizienten Energiewende spielen“, sagt sie der Berliner Zeitung auf Anfrage. Sprich, der Netzausbau ist zu teuer, Batterien nicht?

Die Bundesnetzagentur prognostiziert allein für den Verteilernetzausbau zwischen 2022 und 2032 Kosten von rund 42 Milliarden Euro. Eine andere Studie kommt zu noch viel höheren Zahlen: Für Deutschland würden demnach über alle Netze und Bundesländer hinweg rund 730 Milliarden Euro anfallen. Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) Baden-Württemberg geht von rund 630 Milliarden Euro aus. Die Kosten sind enorm. Doch sie werden, so hart es auch klingt, im Großteil erst einmal von den Verbrauchern getragen werden. Die Finanzierung des Umbaus wird somit am Ende des Monats auf der Stromrechnung zu finden sein.

„Die Kosten werden über die Netzentgelte auf die Stromkunden umgelegt“, sagt der energiepolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion Philipp Matzke auf Anfrage. Für den Hochlauf der Speicherkapazitäten gelte es, den Rahmen und die Anreize so zu setzen, dass dieser „möglichst marktgetrieben“ erfolge. Stromspeicher seien ein wichtiger Baustein im künftigen Stromsystem. „Der Anteil der öffentlichen Hand an den Klimaschutzinvestitionen liegt bei etwa einem Viertel. Im Jahresdurchschnitt fallen 38 Milliarden Euro beziehungsweise 0,8 Prozent des BIP an“, steht im Analysepapier „Investitionen in ein klimaneutrales Deutschland“ der Lobbyorganisation Agora Energiewende. Also zahlt der Bund am Ende gar nicht so viel.

Die 64 Container in Schleswig-Holstein dürften sich rentieren. Denn die Batteriekosten sind in den vergangenen Jahren massiv gefallen, was den Betrieb von Speichern wirtschaftlich sehr attraktiv macht. Von einem massiven Ausbau ist in den kommenden Jahren laut Ludwig Jörissen, Forscher am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) Baden-Württemberg, also auszugehen.

„Wenn der Speicher mehrfach täglich be- und entladen wird, ist die Wirtschaftlichkeit gegeben. Je länger jedoch die Energie gespeichert werden soll, desto unattraktiver wird das Geschäftsmodell.“ Was geschieht also bei einer Windflaute von einer Woche? Oder nach einem Hackerangriff auf Windkraftanlagen? „Ob sich stationäre Batteriespeicher mit einem Horizont von mehreren Wochen oder Monaten beweisen, muss sich unter realen Bedingungen erst noch zeigen“, meint der Professor für Batterietechnik Franz Dietrich von der Technischen Universität Berlin (TU) auf Anfrage.

Im Moment und auf absehbare Zeit würden andere Technologien wie beispielsweise schnell regelbare klassische Kraftwerke, klassische Wasserkraftspeicher oder „Power-to-X (Umwandlung von Energie in chemische Energieträger, Anm. d. Red.)“ interessant werden, meint der Forscher. Wie Deutschland bereits beim russischem Gas erfahren musste: Auf einem Bein steht sich’s schlecht. Denn mit dem Fokus auf Lithium-Ionen-Batterien würde man sich erneut von Rohstoffen und seltenen Erden vor allem aus China abhängig machen – wie zum Beispiel Lithium, Kobalt, Nickel oder Mangan.

Massiver Ausbau

„Hier muss weiter intensiv an der Kreislaufwirtschaft und an Nachfolgetechnologien geforscht und industrialisiert werden“, meint Dietrich. Natrium-Ionen-Batterien und Zink-Luft-Batterien könnten hier Schlüsseltechnologien sein, dies liege jedoch in unsicherer Zukunft. „Aktuell kann man von einem regelrechten ‚Batterie-Tsunami‘ sprechen“, sagt der Unionsabgeordnete Matzke. Nach Angaben der Übertragungsnetzbetreiber würden derzeit Netzanschlussanträge mit einem Volumen von rund 220 Gigawatt vorliegen. „Damit ist bereits jetzt mehr als hundertmal so viel beantragt, wie derzeit ans Netz angeschlossen ist.“

Die Windräder und Solarplatten produzieren mehr als das Netz aushält. Es werden mehr Batterieparks geplant, als momentan umsetzbar sind. Deutschland befindet sich noch mitten im Mega-Hype der Energiepolitik der Ampel. „Robert Habeck hat seine Energiepolitik vor allem an Gigawatt-Ausbauzielen bei Windenergie und Photovoltaik gemessen – ohne Rücksicht auf massiv steigende Systemkosten“, kritisiert Matzke. Gefehlt habe ein systemischer Ansatz mit den notwendigen Reformen am Strommarkt. „Der Ausbau der Erzeugungskapazitäten von Wind und Sonne müsste mit den Speicherkapazitäten synchronisiert werden“, sagt Jörrisen. „Dies bis 2030 zu schaffen ist ein sportliches Ziel.“ Technisch wäre es aber langfristig realisierbar – mit Abhängigkeiten von chinesischen Lieferanten.

„Von vielen Seiten höre ich jedoch, dass die Stromverteilung noch viel mehr ausgebaut werden müsste“, merkt Dietrich an. Sonst könne die allseits angetriebene Elektrifizierung der Industrie, der Privathaushalte und der Mobilität nur schwer umgesetzt werden. Es braucht eine Modernisierung des Stromnetzes. Und die Kosten dafür übernehmen wohl zu großem Teil die Hauseigentümer und Mieter.