Mittwoch, 6. Dezember 2023, Berliner Zeitung
Bündnis konterkariert Kampagne
Bürgerinitiativen stellen Motive gegen Neubau vor
Ulrich Paul
Gut drei Wochen nach dem Start einer Kampagne zugunsten des Wohnungsneubaus in Berlin bekommt Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) jetzt eine Antwort von Seiten betroffener Bürger. Das Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung (BBNS), in dem sich 39 Initiativen gegen Nachverdichtungs- und andere Neubauprojekte zusammengeschlossen haben, stellte am Dienstag eine Gegenkampagne vor. „Die teure Werbekampagne ,Euer Zuhause. Unser Auftrag‘ für mehr Akzeptanz des Wohnungsneubaus in unseren Kiezen wollen wir nicht unbeantwortet zu lassen“, erklärte Sprecherin Britta Krehl. „Denn damit versucht der Senat, unseren bürgerschaftlichen Einsatz für eine sozial und ökologisch nachhaltige Stadtentwicklung durch seine eindimensionale Bauen-Bauen-Bauen-Bejahung zu delegitimieren.“
Das Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung verändert für seine Kampagne die Motive der Senatskampagne. Das offizielle Motto „Euer Zuhause. Unser Auftrag“ wird auf den abgeänderten Bildern durchgestrichen und durch den Slogan „Unsere lebenswerte Stadt. Euer Auftrag“ ersetzt. Über dem Bild einer alleinstehenden Schwangeren aus der Senatskampagne findet sich beim Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung die Aufschrift: „Zilles Mietskasernen 2.0? Ick glob, ick spinne! Wohnen mit Licht, Luft und Sonne – das brauchen wir!“ Auf einem weiteren Bild steht: „Berlin, kahl aber Sexy? Nutzung von Leerstand, Überbauung von Supermärkten und schon versiegelten Flächen – das brauchen wir!“
Bei der Kampagne des Senats kommen, wie berichtet, fünf Gruppen auf Plakaten und in Spots zu Wort: Familien, Alleinerziehende, Auszubildende und Studierende, Paare sowie ältere Menschen. „Ich studiere im vierten Semester Wohnungsanzeigen“, sagt ein Student. Und eine Schwangere erklärt: „Ich brauche keinen Typen. Ich brauche eine Wohnung.“ Es handelt sich dabei um fiktive Suchanzeigen, die Menschen auf den Plakaten wurden mittels Künstlicher Intelligenz gestaltet. „Sie sind die Summe der Gesichter, Biografien und Geschichten von Menschen, die eine Wohnung suchen“, so die Behörde. Die Kosten belaufen sich auf rund 290.000 Euro.
Das Bündnis für Nachhaltige Stadtentwicklung nutzt weniger kostspielige Wege. „Wir werden die Gegenkampagne per Social Media, Mail, auf der Webseite des Bündnisses und der einzelnen Initiativen verbreiten“, sagt Britta Krehl. In einem offenen Brief kritisiert das Bündnis Stadtentwicklungssenator Gaebler. „Sie behaupten mit der von Ihnen gestarteten und von uns bezahlten Werbekampagne, dass Sie in unserem Auftrag handeln würden. Das ist nicht der Fall“, heißt es in dem Brief. „Wir akzeptieren nicht die von Ihnen betriebene rücksichtslose Art des Wohnungsneubaus.“