Freitag, 21. Juni 2024, Berliner Zeitung
Habeck spricht über Schuld seiner Vorfahren
Urgroßvater richtete die Hochzeit von Joseph Goebbels aus
Anne-Kattrin Palmer
Vorfahren von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatten Beziehungen in höchste Kreise des NS-Regimes. Sein Urgroßvater richtete sogar die Hochzeit des späteren Propagandaministers Joseph Goebbels aus. Darüber redete Habeck jetzt erstmals öffentlich in der Zeitschrift Bunte.
Er rede auch deshalb darüber, weil ihm als Politiker der Rechtsruck in den vergangenen Wahlen große Sorgen mache, sagte der Vizekanzler. Er befürchte, dass sich die schlimmste Zeit der deutschen Geschichte wiederholen könnte. Habeck zufolge fußt seine Angst in der eigenen Familiengeschichte. Vor allem sein Urgroßvater Walter Granzow (1887–1952) war in der Nazi-Zeit kein Unbekannter. Er gehörte zum innersten Führungszirkel des Hitler-Regimes und war eng mit Propagandaminister Joseph Goebbels befreundet. Der Sohn, Habecks Großvater Kurt Granzow (1912–1952), war ebenfalls in der Partei und Obersturmführer der SA.
Walter Granzow, der in Schönhagen an der Ostsee geboren wurde, wirkte in der Nazizeit als Partei- und Bankfunktionär. Laut Wikipedia war er ebenfalls Gutsbesitzer. Dort heirateten am 19. Dezember 1931 Joseph Goebbels und Magda Quandt, die zuvor mit dem Industriellen Günther Quandt verheiratet gewesen war. Granzow organisierte das Fest. Auch zur Familie Quandt bestand ein Band: Die Schwester von Granzows Ehefrau Gertrud, Antonie, war bis zu ihrem Tod im Jahr 1918 die erste Ehefrau Günther Quandts.
Der Gutsbesitzer machte im „Dritten Reich“ Karriere: 1931 war er bereits in die NSDAP eingetreten, von 1931 bis 1933 war er landwirtschaftlicher Berater der NSDAP für Mecklenburg-Lübeck. 1933 trat er in die SS ein, als Sturmbandführer. Am 9. November 1936 erhielt er seine Ernennung zum SS-Brigadeführer. Am 1. November 1933 wurde Granzow Vorsitzender des Verwaltungsrates (Präsident) der Deutschen Renten-Kreditanstalt (RKA) mit Sitz in Berlin. In der Folgezeit fungierte er als Aufsichtsratsvorsitzender bei verschiedenen Banken, unter anderem bei der RKA, der Deutschen Pachtbank und der Getreide-Kreditbank.
Des Weiteren war er Verwaltungsratsvorsitzender der Deutschen Siedlungsbank, nachdem er bereits Beauftragter für Reichssiedlung gewesen war. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Granzow verhaftet und von 1945 bis 1948 interniert. Danach arbeitete er zunächst als Wirtschaftsberater und später als Vertreter für eine Margarinefabrik in Holstein.
Habeck sagte der Bunten: „Ich habe mich schon als Jugendlicher intensiv mit der Geschichte meiner Familie auseinandergesetzt.“ Er habe auch häufig mit seiner Großmutter und Mutter darüber geredet. „Es war eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit der Schuld meines Urgroßvaters und meines Großvaters. Diese persönliche Auseinandersetzung hat mein politisches Denken, Handeln und Reden mitgeprägt und nimmt mich bis heute in die politische Pflicht.“
Wie die Deutsche Presseagentur zudem berichtet, wurde kein Vermögen von Walter Granzow an die Familie von Robert Habecks Mutter weitergereicht. Nach 1945 wurde er als Kriegsverbrecher verurteilt, sein Besitz entschädigungslos eingezogen. Habecks Mutter wuchs als Flüchtlingskind ohne Vermögen auf.